Eine Seefahrt die ist lustig !

07.06 

Im Keller ist es dunkel, als ich nach guten vier Stunden Schlaf um 6:00 Uhr aus dem Bett taumele. Alle meine Sachen sind schon gepackt und stehen zur Abfahrt bereit. Rein in die Radklamotten, die Trinkflaschen auffüllen, dann gehts los und hinaus aus dem noch verschlafenen Espoo. Um 7:45 Uhr geht die Fähre, mindestens eine halbe Stunde vorher soll ich am Hafen in der Innenstadt von Helsinki sein. Ich fahre schnell, immer der aufgehenden Sonne entgegen die ihre Strahlen über die viele Gewässer wirft und erreiche das Fährterminal um 8:05 Uhr. Ich reihe mich in die Autoschlange ein und werde weitergewunken, sodass ich schneller als gedacht in den riesigen Schlund des Schiffbauchs hereinfahre. Ich darf mein Rad auf der untersten Ebene neben den Motorrädern abstellen, worüber ich mich sehr freue, da ich dadurch später auch mit als erstes ausfahren darf. 

Dann heißt es „Auf Wiedersehen!“ Fahrrad und ich folge den anderen Passagieren hinauf bis auf das Deck 8. Hier treffe ich Else. Sie muss für die Arbeit ebenfalls nach Tallinn und so bin ich nicht ganz alleine, worüber ich sehr dankbar bin. Es ist zwar früh, trotzdem wollen viele Menschen mit der Fähre fahren und so füllt sich das Cafeteria-Deck rasch. Dann beginnt das Ablegen. Es ist immer wieder ein besonderes Gefühl, wenn solch ein Riese sich in Bewegung setzt und dabei der Boden unter den Füßen erzittert. In 2,15 Stunden werden wir um 10:00 Uhr in Tallinn ankommen, daher machen wir es uns gemütlich und beginnen beide etwas zu arbeiten. Ich besorge mir über die Airline meine Möglichkeit der Fahrradmitnahme und informiere mich noch über die nächsten zu fahrenden Strecken. 

Irgendwann in der Mitte lasse ich Else bei einem Nickerchenam Platz zurück und schlendere über die oberen beiden Panorama-Decks. Es ist ein warmer und wolkenloser Tag, in Tallinn werden 28 Grad erwartet. Gegen Abend soll es allerdings stark gewittern und sich dies über die nächsten Tage auch so fortsetzen. Beste Aussichten also für die kommenden Fahrradkilometer... nicht!

Schneller als erwartet taucht am Horizont die estländische Hauptstadt auf und ich muss mich wie viele andere auch zum Ausfahren bereitmachen und wieder hinabsteigen. 20 Minuten später gehen die Machinen aus, die Laderampe öffnet sich langsam und die zehn Harley-Fahrer starten knatternd ihre Maschinen. Es ist einfach ein geiles Gefühl dies alles hier mit dem Fahrrad zu machen und dann bin ich auch schon raus und strample in der Sonne in Richtung der Stadt. Ich will außerhalb am Schloss Katharinental beginnen und mich dann in die Altstadt vorarbeiten, daher mache ich einen etwas größeren Bogen um das Zentrum herum. Die Distanzen sind sehr gering und schon bin ich am toll angelegten Schlossgarten. Überall viel Grün, eine Menge Schatten durch die gepflanzten Bäume, fliegende Schmetterlinge und Vogelgezwischer umgeben mich. Schon jetzt fühle ich mich sehr wohl, ohne das Schloss überhaupt gesehen zu haben. 

Auch hier gibt es sehr viele Touristengruppen, die meisten kommen von den im Hafen vor Anker liegenden Kreuzfahrtschiffen wie AIDA und Co. Diesen versuche ich zwar nach Möglichleit aus dem Weg zu gehen, aber natürlich will man auch zu den gleichen Punkten wie sie. Das Schloß selbst ist schön, mehr erfreut bin ich aber über sich im Garten befindenden Bienenstöcke in weißen Bienenbeuten. Wie ich erfahre, gehören diese Bienen dem Präsidenten, welcher sich sehr für die Arterhaltung der Bienen einsetzt. Good guy Estonia!! 

Im Anschluss fahre ich über das Kunstmuseum Estlands, welches sich ebenfalls im großen Park un das Schloss befindet, wieder Richtung der Altstadt. Es wird immer voller je näher ich dem Zentrum komme, dann sind die Straßen plötzlich alle mit Kopfstein gepflastert und schließlich stehe ich an der großen Stadtmauer, auf welcher man auch laufen kann. Ich schiebe mein Rad durch die Stadt, besichtige den Rathausplatz, die Alexander-Newski-Kathedrale mit ihren Zwiebeltürmen und den Domberg mit dem Castrum Danorum darauf. Es ist schön hier, man sieht deutliche deutsche Einflüsse in der Bauweise und man könnte gefühlt auch durch eine Altstadt irgendwo in Bayern laufen. Ich merke aber wie mir die Menschen hier zu viel sind, dass ich raus will und fahre daher in Richtung des Grünstreifens unterhalb des Dombergs. 

Hier ist es weniger hektisch, tolle Pflanzen und gewundene kleine Wege machen es spannend  hindurchzugehen. Ich finde zudem ein Eiscafe, welches mir von Else empfohlen wurde und sich in dem Stadtteil Tallinns befindet, den ich mit Abstand am schönsten finde. Telliskivi hat sehr viele urbane Cafes und Shops, ein industrieller Stil herrscht hier vor und ist sehr künstlerisch mit vielen Graffittis gestaltet. Ich kann mich nicht sattsehen an schönen Ecken und verbringe lange Zeit bei La Muuh, dem laut Else besten Eisladen und bei Frenchys, dem Bistro gegenüber. 
Unter großen Sonnensegeln sitzen junge Menschen, spielen Tischtennis an aufgestellten Platten oder hören gute Musik. „Simon hätte es hier auch sehr gut gefallen“, denke ich wehmütig.

Ich mache mir Gedanken, denn ich merke, hierbleiben muss man nicht länger. Lieber mit etwas mehr Zeit nochmal vorbeikommen und heute noch ein paar Kilometer fahren. Zudem muss noch für die nächsten beiden Reisetage eingekauft werden. So breche ich um 16 Uhr zu einem Supermarkt auf und fahre anschließend über die sogenannte „Via Baltica“ aus der Stadt heraus. Während dieser Zeit verdichten und verdunkeln sich die Wolken, immer wieder kommen kleinere Schauer vom Himmel. Ich habe fast 50 Kilometer hinter mich gelegt, da öffnen sich schließlich alle Schleusen. Mehrere Donner folgen gezackten Blitzen und die Wolken leeren sich so richtig aus. Ich flüchte zur nächsten Tankstelle und sitze dort mit 30-40 Motorradfahrern für gute eineinhalb Stunden den Regen aus. 

Es ist 20 Uhr als ich weiterkann, der Himmel ist wieder babyblau und ich kann in der Restsonne ein wenig trocknen. Nach weiteren 10 km stelle ich mein Zelt auf, mache mich bettfertig und hoffe auf eine regenfreie Nacht. Noch sind es 250 km bis zu meinem finalen Ziel Riga. Nur noch zwei mal fahren also... so langsam werde ich ein wenig sentimental. 

































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